KI? Nachgefragt bei Aljoscha Burchardt vom DFKI

Prof. Dr. Christian Wiesmüller im Gespräch mit Dr. Aljoscha Burchardt, Forschungsbereichsmanager Sprachtechnologie beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH

 

Wiesmüller: Künstliche Intelligenz; träumen wir nicht schon lange von Maschinen, die alles das können, wozu wir selbst nicht im Stande sind oder was wir selbst nicht machen wollen? Jetzt, da wir das Gefühl haben, der Zeitpunkt rückt näher, zu dem Vieles real werden könnte, beschleichen uns aber doch auch Ängste. Werden wir selbst die Verlierer einer solchen Entwicklung sein? Herr Burchardt, Sie forschen zu dem Thema, können Sie unsere Bedenken zerstreuen?

Burchardt: Ich hoffe doch. Erst einmal sind es ja wir (also Sie als Nutzer und wir als Programmierer), die die Technologie zusammen entwickeln. Bei uns heißt das am Anfang von Projekten immer erst einmal: zuhören. Je besser wir verstehen, wie Ihre Abläufe funktionieren und wo Sie technische Unterstützung brauchen, um so besser wird am Ende das Ergebnis. Momentan reden wir auch ausschließlich über schwache KI, also Einzeltechnologien, die z.B. Texte übersetzen, Maschinen steuern oder in Daten Muster erkennen. Viele Anwendungen kennen wir bereits aus dem Alltag. Die Ängste löst eigentlich meist nur die Phantasie einer starken KI aus, also eines echten Homunculus, der auch Bewusstsein hat, eigene Ziele entwickelt, etc. Da sind wir dann bei Frankensteins Sohn und in Hollywood gelandet. Ob es jemals so eine allgemeine, starke KI geben wird, die eine Vielzahl von verschiedenen Problemen lösen kann, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Es gibt derzeit aber keine Anzeichen dafür.

Wiesmüller: Können Sie uns einige Beispiele geben, in denen die bereits realisierte KI Anwendung findet?

Burchhardt: Gerne. Navigationsgeräte und Chatbots wie Siri oder Alexa basieren quasi noch auf der symbolischen KI der 1980er-Jahre. Danach kamen die datenbasierten Anwendungen, allem voran natürlich die Suche im Internet mit Google oder andern Suchmaschinen. Das wäre ohne KI gar nicht möglich. Kein menschliches Team der Welt könnte hunderte von Milliarden Webseiten nach relevanten Inhalten durchforsten. Und jüngst hat auch die maschinelle Übersetzung einen Qualitätssprung gemacht. Da wäre neben Google Übersetzer auch das Kölner Unternehmen DeepL zu nennen. In der Medizin sehen wir sehr interessante Anwendungen, wie die Erkennung von Krebs in MRT-Scans. Hier sind die Systeme schon heute teils leistungsfähiger als Mediziner. Allerdings nur in der Auswertung der Bilder. Über die Therapie entscheidet dann natürlich der Arzt. Es geht mir immer um die optimale Aufgabenteilung. Wir nennen das menschzentrierte KI.

Wiesmüller: Die Deutsche Gesellschaft für Technische Bildung setzt sich für eine flächendeckende Technische Bildung für alle ein: also für jedes Alter und alle Schularten, von der Grundschule bis ins Gymnasium, und für Mädchen und Jungen gleichermaßen. Sehen Sie die Notwendigkeit, gerade mit Blick auf die Technik, die Sie erforschen und entwickeln, diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen?

Burchhardt: Eine technische Bildung würde helfen, die unbegründeten Ängste vor der Technologie zu verlieren und die Kraft lieber in die dringend nötige Verbesserung und Weiterentwicklung der Technologie zu investieren. Dazu gehören auch Fragen nach Datenschutz, ethischer Gestaltung, Transparenz, aber eben auch bestmöglicher Qualität. Vieles davon sind eher gesellschaftliche als technologische Fragen, aber ohne ein Minimum an technischem Verständnis schwer zu diskutieren. Insgesamt sollte man immer versuchen — auch im Informatikunterricht — ein Grundverständnis der Technologie aufzubauen. Das trägt dann auch zur digitalen Kompetenz bei und lässt einen verstehen, wie z.B. Filterblasen in Sozialen Medien oder Videomanipulation funktionieren. Es reicht nicht, nur Programme „von außen“ zu bedienen.

Wiesmüller: Wie sieht aus Ihrer Sicht das Klassenzimmer der nahen Zukunft aus? Wie die Lernprozesse? Werden wir noch Bleistift, Füllfederhalter, Heft und Buch haben? Oder lernen Kinder nur mehr mit Laptop und im Internet? Wie sinnlich stellen Sie sich die Lernumgebung vor?

Burchardt: Eigentlich ist es irrelevant, wie ich mir Klassenzimmer vorstelle. Das ist ja nicht meine Expertise. Zur vorigen Frage könnte ich noch ergänzen, dass mir eine Grundbildung in Ästhetik wie Farbe, Form, Proportion, Oberfläche ein Anliegen wäre. Das würde unsere analoge und digitale Welt sicher insgesamt schöner machen. Wie die ideale Lernumgebung aussehen soll, müssen Pädagogen zusammen mit den Betroffenen wie Schülern und Eltern herausfinden. Da möchte ich mich zurückhalten. Gerne spitze ich dann wieder die Ohren, wenn bestimmte technische Hilfsmittel gestaltet werden sollen. Ich selber schreibe gerne mit Bleistift und Füllfederhalter, allerdings passiert letzteres so selten, dass dieser praktisch immer ausgetrocknet ist, wenn ich ihn brauche.

Wiesmüller: Im Technikunterricht in den Schulen kommen nach wie vor Werkzeuge und reale Materialien zum Einsatz. Ist das antiquiert, wenn uns der Alltag mit fortschreitender KI doch ganz anderes abfordert?

Burchardt: Man sollte das eine tun ohne das andere zu lassen. Viele digitale Werkzeuge sind ja den analogen nachempfunden, da diese einfach gut waren. Wenn sie mal ein modernes Mischpult bei einem Konzert sehen, dann ist das halb Software auf großen Monitoren und halb sind es dann doch die großen Boards mit den vielen Drehreglern, da diese sich als Schnittstelle bewährt haben. Das ist jetzt vielleicht keine sehr spektakuläre Antwort, aber so sehe ich das. Eher Evolution als Revolution.

Wiesmüller: Herr Burchardt, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.