Hiltrud D. Werner, Mitglied im Vorstand für Integrität und Recht beim Volkswagen Konzern, im Gespräch mit den Vorständen der DGTB, Christian Wiesmüller und Maja Jeretin-Kopf
Wiesmüller: Frau Werner, Ihr Weg führte über verschiedene Stationen bis in die Vorstandsetage eines großen DAX-Konzerns aus dem Technikbereich. Sie sind eine der wenigen Frauen in so einer Position. Die DGTB baut derzeit ein Referat auf, das sich mit der Gender-Frage beschäftigt. Wir freuen uns, dass Sie als Führungskraft eines weltweit agierenden Technologieunternehmen für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Erste Frage: Welche Rolle spielen Frauen bei Volkswagen? Sind sie nah an der Technik, der Entwicklung oder der Produktion tätig oder überwiegend in der Verwaltung und im Kundenkontakt?
Werner: Wir bei Volkswagen besetzen Stellen grundsätzlich nach Qualifikation, es wäre ein schlechtes Vorgehen, wenn da das Geschlecht eine Rolle spielen würde, denn das wäre ja auch schon wieder eine Form der Diskriminierung – mit umgekehrten Vorzeichen.
Als Automobilhersteller haben wir in allen unseren Konzernmarken natürlich einen hohen Bedarf an technisch orientierten Berufen an Ingenieuren und Ingenieurinnen, Informatikern und Informatikerinnen, Elektrotechnikern und –technikerinnen. Daher haben wir uns in technischen Berufen Einstellziele gesetzt, die die benötigten Qualifikationen mit den Absolventinnenquoten in Deutschland abgleichen. Das sind im Moment rund 30 Prozent. Das heißt konkret: Wenn die Absolventinnenquote im Bereich Maschinenbau knapp 11 Prozent beträgt, sollten ebenfalls 11 Prozent junge Frauen eingestellt werden.
In den Wirtschaftswissenschaften sind es dann 50 Prozent. Daher ist natürlich der Frauenanteil zum Beispiel im Personalwesen, im Rechtswesen, der Kommunikation oder in der Beschaffung höher als in der Forschung und Entwicklung und der Produktion.
Jeretin-Kopf: Ein Thema, das für die DGTB wichtig ist: Wäre es wünschenswert, wenn Mädchen schon sehr früh – auch in der Schule – technische Erfahrungen machen könnten? Was leider eine Seltenheit ist.
Werner: Das wäre meiner Meinung nach sehr zu begrüßen. Wir machen zum Beispiel beim Girls‘ Day oder bei den von uns angebotenen Berufserlebnistagen für Schülerinnen die Erfahrung, dass die Mädchen den Jungen beim Technikinteresse und auch bei der entsprechenden Kompetenz in nichts nachstehen. Es scheint, dass sich dieses Interesse bei der Berufswahl dann verliert. Hier spielen sicher die Eltern eine Rolle, aber auch gesellschaftliche Vorstellungen und Klischees, möglicherweise auch eine mangelnde Berufsberatung
Wiesmüller: Die DGTB will einen spezifischen Technikunterricht, auch für Mädchen, in allen Schularten und auf allen Altersstufen. Können Sie dieser Idee etwas abgewinnen?
Werner: Es geht meines Erachtens darum, mit stetigen positiven Technik-Erfahrungen festsitzende Stereotype auszuhebeln und junge Mädchen für Technik und Informatik zu begeistern. Wie kann das geschehen? Ich muss im Unterricht kein altes Radio zerlegen, um Elektronik zu erklären, sondern Technik aus dem Alltag, vom Staubsauger bis zur Handy App – darauf kommt es an. Die wichtigste Triebkraft für Lernen ist Neugier. Und die ist leichter zu wecken für Themen, die mein eigenes Lebensumfeld betreffen.
Jeretin-Kopf: Was würden Sie einer jungen Frau heute raten, die sich für eine Karriere in der Automobilindustrie interessiert?
Werner: Gerade eine junge Frau sollte sich immer dessen bewusst sein, wo ihre Priorität gerade liegt. Dazu gehört es auch, sich zu erlauben, Schwerpunkte im Laufe eines Arbeitslebens zu ändern, mal einen Schritt zur Seite zu machen. Was auch wichtig ist – man muss sich in dem gewählten Arbeitsgebiet auch wohl fühlen, sich mit den Produkten des Unternehmens identifizieren können. Für mich trifft das zu, ich mag Autos, ich mag Auto fahren, habe sogar einen LKW-Führerschein. Bank oder Versicherung – ein eher „virtuelles“ Produkt – das wäre nichts für mich.
Die Automobilbranche ist so anspruchsvoll und vielfältig, viele Talente auf den unterschiedlichsten Gebieten werden hier benötigt. Aber die Identifikation mit dem Produkt ist wichtig. Wer auf die Frage eines männlichen Kollegen: „Was fahren Sie für ein Auto?“ antwortet: „Ein rotes“ hat verloren. Ich fahre sehr gerne, vergleiche verschiedene Fahrzeuge, lese oft auch das Bedienmanual und weiß immer, wie viele PS ich unter der Haube habe.
Wiesmüller und Jeretin-Kopf: Herzlichen Dank für das Gespräch.